Politikbarometer August 2013

Hauchdünne Mehrheit für Union und FDP

Die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP hätte derzeit zum ersten Mal seit November 2009 wieder eine hauchdünne rechnerische Mehrheit. Das zeigt das aktuelle ZDF Politbarometer. Gleichzeitig favorisiert eine Mehrheit eine große Koalition.

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Interaktiv: Die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP hätte derzeit zum ersten Mal seit November 2009 wieder eine hauchdünne rechnerische Mehrheit. Das zeigt das aktuelle ZDF Politbarometer. Gleichzeitig favorisiert eine Mehrheit eine große Koalition.(Quelle: ZDF)

Zu Beginn der heißen Wahlkampfphase sind die Mehrheitsverhältnisse noch lange nicht geklärt: Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die CDU/CSU auf unveränderte 41 Prozent und die SPD bliebe in ihrem Tief bei 25 Prozent. Leicht verbessern könnte sich die FDP auf sechs Prozent (plus eins), während die Linke mit acht Prozent und die Grünen mit 13 Prozent unverändert blieben. Alle anderen Parteien fielen unter drei Prozent und können deshalb nur als Summe ausgewiesen werden: Sie erreichten zusammen sieben Prozent (minus eins). Damit hätte erstmals seit November 2009 eine Koalition aus CDU/CSU und FDP eine hauchdünne rechnerische Mehrheit. Allerdings ist die schon allein aufgrund der statistischen Fehlerbereiche von Umfragen alles andere als sicher. Rot-Grün ist jedoch weiterhin deutlich von einer parlamentarischen Mehrheit entfernt.

Wenige glauben, dass die SPD noch deutlich zuegen kann

Auch wenn inzwischen mehr Wähler als noch im März an einen Wahlsieg von Schwarz-Gelb glauben, bleiben die meisten eher skeptisch: 43 Prozent erwarten (März: 35 Prozent), dass CDU/CSU und FDP eine Mehrheit bei der Bundestagswahl erreichen werden, aber 47 Prozent (März: 54 Prozent) glauben das nicht (weiß nicht: zehn Prozent). Besonders ausgeprägt ist die Siegeszuversicht bei den Anhängern der FDP (70 Prozent), während die Anhänger der CDU/CSU deutlich zurückhaltender sind: Hier gehen lediglich 52 Prozent von einem Sieg für Schwarz-Gelb aus.

Nur 18 Prozent erwarten, dass die SPD, die aktuell durchweg sehr schlechte Umfragewerte hat, bis zur Bundestagswahl noch deutlich zulegen kann. 78 Prozent glauben das hingegen nicht. Selbst unter den SPD-Anhängern sind die Optimisten mit 35 Prozent deutlich in der Minderheit (glaube nicht: 60 Prozent).

Deutliches Votum für die große Koalition

Die einzige Koalition, die von einer Mehrheit der Deutschen positiv gesehen wird, ist die große Koalition: 51 Prozent beurteilen sie als „gut“ und nur 28 Prozent als „schlecht“ („egal“: 19 Prozent; Rest zu 100 Prozent jeweils „weiß nicht“). Alle anderen möglichen Koalitionen werden mehrheitlich nicht gut geheißen: Rot-Grün wird nur von 38 Prozent als „gut“ bewertet, aber von 44 Prozent als „schlecht“ („egal“: 16 Prozent), Schwarz-Gelb von 35 Prozent als „gut“ und von 41 Prozent als „schlecht“ („egal“: 21 Prozent), Schwarz-Grün halten nur 30 Prozent für „gut“ und 45 Prozent für „schlecht“ („egal: 22 Prozent). Am eindeutigsten wird eine Koalition aus SPD, Grünen und Linken abgelehnt (65 Prozent), lediglich 18 Prozent unterstützen eine solche Möglichkeit („egal“: 15 Prozent).

Beim Thema soziale Gerechtigkeit trauen die meisten Bürger einer möglichen rot-grünen Bundesregierung keine entscheidenden Veränderungen zu. Lediglich 28 Prozent meinen, dass es in Deutschland gerechter zugehen werde, wenn eine Koalition aus SPD und Grünen regieren würde. 14 Prozent erwarten dann das Gegenteil und 52 Prozent sind der Meinung, dass es keinen großen Unterschied im Vergleich zur jetzigen Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP machen würde.

K-Frage: Stabiler Abstand zwischen Merkel und Steinbrück

Bei der Frage, wen die Deutschen nach der Bundestagswahl lieber als Kanzler/-in hätten, liegt Angela Merkel auch gut vier Wochen vor der Bundestagswahl deutlich vor ihrem SPD-Herausforderer Peer Steinbrück. Unverändert 63 Prozent wollen Merkel als Kanzlerin und 29 Prozent wünschen sich Peer Steinbrück im Kanzleramt.Während die CDU/CSU-Anhänger mit 94 Prozent nahezu geschlossen für Merkel votieren, fällt der Rückhalt Steinbrücks bei den SPD-Anhängern mit 68 Prozent deutlich geringer aus. Ähnlich sahen die Ergebnisse bei der K-Frage zum gleichen Zeitpunkt vor der Bundestagswahl 2009 aus, als Frank-Walter Steinmeier für die SPD kandidiert hatte.

Merkel weiterhin beliebteste Politikerin

Am besten wird weiterhin Bundeskanzlerin Angela Merkel bewertet: Sie erreicht jetzt auf der Skala von +5 bis -5 einen Durchschnittswert von 2,1 (Aug. II: 2,2). Mit deutlichem Abstand folgen Wolfgang Schäuble mit 1,4 (Aug. II: 1,5), Frank-Walter Steinmeier mit 0,8 (Aug. II: 0,7), Ursula von der Leyen mit 0,6 (Aug. II: 0,8) und Horst Seehofer mit 0,3 (Aug. II: 0,4). Ebenfalls auf 0,3, aber ein paar Hundertstel schlechter als Seehofer, kommt Peer Steinbrück (Aug. II: 0,1). Auf Platz sieben folgt Thomas de Maizière mit 0,2 (Aug. II: 0,4) unmittelbar vor Jürgen Trittin ebenfalls mit 0,2 (Aug. II: 0,2). Knapp im Negativ-Bereich verbleibt Guido Westerwelle mit minus 0,1 (Aug. II: minus 0,2) vor Philipp Rösler mit minus 0,7 (Aug. II: minus 0,8).

Die Umfrage zum Politbarometer…

… wurde wie immer von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen durchgeführt. Die Interviews wurden in der Zeit vom 20. bis 22. August 2013 bei 1287 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten telefonisch erhoben. Die Befragung ist repräsentativ für die wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland. Der Fehlerbereich beträgt bei einem Parteianteil von 40 Prozent rund +/- drei Prozentpunkte und bei einem Parteianteil von zehn Prozent rund +/- zwei Prozentpunkte. Daten zur politischen Stimmung: CDU/CSU: 46 Prozent, SPD: 27 Prozent, FDP: vier Prozent, Linke: sechs Prozent, Grüne: zwölf Prozent. Das nächste Politbarometer sendet das ZDF am Donnerstag, den 29.8.2013.

Video: http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1969636/Hauchduenne-Mehrheit-fuer-Union-und-FDP#/beitrag/video/1969636/Hauchduenne-Mehrheit-fuer-Union-und-FDP

 

Wahlkampf vorm Fußballstadion

Die Jusos wollen Bilder der Kanzlerin in trauter Eintracht mit Steuerhinterzieher Hoeneß verteilen. Union und FDP schäumen, den Künstler freut’s, die SPD hält sich raus. Von 

23. August 201316:06 Uhr
"Wir Steuern das schon": das Motiv der Postkarte, die die Jusos am Wochenende 100.000-fach in Fußballstadien verteilen wollen.

Die Kanzlerin beugt sich etwas vor, lächelt, streckt Uli Hoeneß, der dasteht wie ein Gastgeber, die Hand entgegen. Ein Zipfel des Bayern-Schals um seinen Hals legt sich auf den Handschlag der beiden, besiegelt ihn. Ein starkes Foto ist es, dass da am 25. Mai dieses Jahres beim Champions-League-Finale zwischen Bayern München und Borussia Dortmund entstanden ist. Stark vor allem deshalb, weil die damals große Diskussion um Hoeneß’ vermutliche Steuerhinterziehung so überhaupt keine Widerspiegelung in dieser freundlichen, fast vertrauten Begrüßung findet.

Nun kommt das Bild zurück ins Stadion. Am Wochenende wollen die Jusos, die Nachwuchsorganisation der SPD, eine Postkarte mit dem Motiv  100.000-fach vor deutschen Fußballstadien verteilen. Auf der Karte steht, der Kanzlerin den Mund gelegt: «Glückwunsch, Uli, wir Steuern das schon.»

Schon seit einiger Zeit macht die SPD mit dem Thema Steuerhinterziehung Wahlkampf. Doch so richtig gezündet hat es nicht. Jetzt versuchen es die Jusos mithilfe des  Fußball-Promis Uli Hoeneß. Weil Stadien aber normalerweise keine Arenen für Parteipolitik sind, und weil Hoeneß als Bayern-Präsident trotz allem sehr beliebt ist, wüten die politischen Gegner schon, bevor auch nur eine einzelne Karte verteilt ist. Die Jusos freut’s.

Der Künstler ist kein Unbekannter

Der FDP-Lautsprecher Wolfgang Kubicki findet die Aktion «erbärmlich» und «an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten», der CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt vermutet gar einen «antibayerischen Wahlkampf». Der Politiker macht sich außerdem zum ersten Verteidiger seines heimatlichen Fußballvereins und wirft den Sozialdemokraten vor, «Aggressionen gegen den FC Bayern schüren».

Derjenige, der sich die Postkarte ausgedacht hat, kann sich darüber nur freuen. Klaus Staeck sagte ZEIT ONLINE: «Ich hätte nicht gedacht, dass die so naiv sind und durch ihre Kritik selbst noch mal Aufmerksamkeit darauf lenken.» Staeck ist nicht irgendwer, sondern einer der wichtigsten politischen Künstler des Landes, schon in den 1970er Jahren hat er berühmte Plakate für die SPD entworfen. Außerdem ist er seit 2006 Präsident der angesehenen Berliner Akademie der Künste.

Nicht die Postkarten-Aktion sei geschmacklos, sagt Staeck, er habe es vielmehr als «Geschmacklosigkeit empfunden, dass die Bundeskanzlerin vor einem Millionenpublikum so demonstrativ einem Steuerhinterzieher die Hand reicht. Das ist eine symbolische Geste gewesen und kein Zufall.» Wenn das nicht politisch sei, dann wisse er nicht, was überhaupt noch politisch ist. Deshalb habe er das Bild bei der Fotoagentur erworben und die Postkarte gestaltet. Die kann nun jeder bei ihm kaufen, 80 Cent kostet sie pro Stück auf seiner Website. Mit den Jusos selbst hatte er gar keinen Kontakt, die haben die Postkarten einfach über seinen kleinen Verlag bestellt.

Auch Juso-Chef Sascha Vogt ist eher dankbar für die laute Kritik von Kubicki und Dobrindt. Er sagte ZEIT ONLINE: «Die Aktion ist schon jetzt ein Volltreffer. Die Herren haben offensichtlich Angst, dass ihre steuerhinterziehenden Freunde nach der Bundestagswahl doch noch zur Kasse gebeten werden.» Und im Übrigen könne er ja auch nichts dafür, dass der Steuerhinterzieher Hoeneß nun mal auch Präsident von Bayern München sei.

Vor deren Stadion übrigens wird die Postkarte wohl nicht verbreitet werden. «Wir haben im Land rumgefragt, wer die verteilen will, und anderswo war das Interesse verständlicherweise größer», sagt Vogt. Bei den Spielen der Bayern-Rivalen Schalke 04 und Borussia Dortmund beispielsweise.

Politikverdrossenheit Warum ein Boykott der Wahl verlockend ist

Viele Wähler sind enttäuscht vom politischen Personal. Intellektuelle propagieren den Wahlboykott. Dass er für diese Idee anfällig ist, bekennt Alexander Schwabe

http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-08/bundestagswahl-boykott-politiker-ohnmacht/komplettansicht

Ohnmacht der Politik: Kanzlerin Merkel als Saftpresse

Ohnmacht der Politik: Kanzlerin Merkel als Saftpresse

Natürlich, Wählen ist Bürgerpflicht. Natürlich, Demokratie ist die Formulierung von Kompromissen und nicht die Durchsetzung von Ideen in Reinform. Natürlich, Politiker sind keine omnipotenten Menschen. Und ja, es ist falsch, zu meinen, dieser Wahlkampf sei vollkommen politikfrei, immerhin geht es um Marktregulierung, Mindestlohn, Mietpreisgestaltung, Steuerpolitik, Energiewende, Rüstungsexporte, Betreuungsgeld und und und.

Und dennoch breitet sich Unlust aus, im September wählen zu gehen. Lethargokratie, diagnostiziert der Philosoph Peter Sloterdijk. Im politischen Feuilleton sind Texte zu lesen, die den Wahlboykott begründen, ohne dass sich die Autoren als Antidemokraten sähen: Es fehlten echte Alternativen und glaubwürdige Politiker.

Ich gebe zu: Es ist ein verlockender Gedanke, dieses Mal nicht wählen zu gehen.

Es ist ein Punkt erreicht, nach dem die oben gemachten Zugeständnisse nicht mehr ins Gewicht fallen. Denn sie werden überlagert vom Erschrecken über die Diskrepanz zwischen der Bedeutung der politisch wirklich großen Themen und dem Eindruck, die Politik sei ihnen nicht gewachsen.

Beispiel eins: Die Euro-Krise schwelt weiter, auch wenn sie derzeit von den maßgebenden Politikern nicht thematisiert wird, aus wahltaktischen Gründen, was allein schon verdrießlich stimmt. Denn Totschweigen nimmt nicht die unterschwellige Furcht, dass der Euro und der Wohlstand vieler in Gefahr sind und auch der soziale Friede. Zu viele Fragen sind offen. Könnte es sein, dass die deutschlandzentristische Europapolitik der Kanzlerin dem Land nur kurzfristig dient, langfristig aber dazu führt, dem gesamten Kontinent zu schaden? Was, wenn Europa auseinanderbricht und sich weiter marginalisiert? Sind denn die Märkte inzwischen soweit gezügelt, dass Spekulanten Volkswirtschaften nicht mehr an den Rand des Zusammenbruchs bringen können und Steuerzahler für deren riskante Geschäfte aufkommen müssen? Der Eindruck ist: Die Politik hat nicht genug getan, um diese Ängste und Bedenken begründet zu zerstreuen. Die Kanzlerin selbst hat sie mit ihrem Diktum von der marktkonformen Demokratie gar verstärkt. Die Finanzindustrie scheint mächtig, die Politik ohnmächtig.

Beispiel zwei: Die NSA-Affäre macht erstmals einer breiten Öffentlichkeit bewusst, wie groß die Gefahren einer gänzlich digitalisierten Welt sein können. Der Abhörskandal ist bisher weder politisch noch rechtlich noch wirtschaftlich aufgearbeitet. Von gesellschaftlichen und anthropologischen Fragen ganz zu schweigen: Welche Auswirkungen hat das massenhafte Abschöpfen von Daten durch die Geheimdienste und deren Kooperation mit den Internetkonzernen auf den Menschen? Ist das Ende der Privatheit eingeläutet, hat die Entwertung des Subjekts begonnen? Löst sich die Souveränität des Individuums auf, nicht nur, weil es künftig totalüberwacht werden kann, sondern weil es bestimmt sein wird, nicht von dem, was es aus sich heraus ist, sondern davon, wie Netzdaten es determinieren? Der Mensch nur noch eine transparente Hülle, von Algorithmen geformt? Politiker haben keine Antworten auf existentielle Fragen. Die Geheimdienste und die Big-data-Industrie scheinen mächtig, die Politik nicht nur ohnmächtig, schlimmer: ahnungslos.

Erschüttertes Vertrauen und Verzweiflung

Es schlägt aufs Gemüt, diese Hilflosigkeit mitansehen zu müssen. Ausgerechnet bei jenen, deren Job und Berufung es ist, «Zukunft zu gestalten» und an der «politischen Willens- und Meinungsbildung mitzuwirken». Vermutlich ist es keineswegs intellektueller Dünkel oder der Drang zum Tabubruch, wenn Journalisten essayistisch aufschreiben, was sie von der Urne fernhält. Es ist eher eine in Hoffnungslosigkeit umgeschlagene Verzweiflung angesichts der immensen Probleme und dem Versagen der politischen Elite.

Zudem hat es einen gravierenden Vertrauensbruch gegeben. Wer die eigenen Bürger nicht davor zu schützen weiß, möglicherweise ausspioniert zu werden, sondern die Fürsorgepflicht des Staates missbraucht oder auch nur vernachlässigt hat, verdient keinen weiteren Vertrauensbeweis. Es gibt keinen Beleg dafür, dass die Opposition effektiver agierte.

Hinzukommen weitere Unlust verursachende Faktoren. Die sind nicht zu unterschätzen, denn neben Erkenntnis, Vernunft und Verantwortung sind auch Lust und Unlust Triebfedern des Handelns oder der Verweigerung.

Kurt Kister von der Süddeutschen Zeitung hat neulich über das «Gesummse unter der Berliner Käseglocke» geschrieben. Er unterschied zwischen der realen Welt und der Welt der Politiker, die davon abgelöst sei. Insofern besteht der Verdacht, dass die Bewohner der Käseglocke Politik mit dem Politikbetrieb gleichsetzen. Wie ätzend fürs Publikum: Die Dauerkonfrontation mit der Inszenierung von Politik, vor allem in Talkshows, und nicht mit echter Politik, nämlich der Gestaltung der realen Welt (siehe Stuttgart 21), vergällt ihm das Interesse.

Jüngstes Beispiel: ein Interview der TV-Journalistin Sandra Maischberger mit dem Kanzlerkandidaten. Ihr ging es vornehmlich darum, aus ihm herauszukitzeln, dass er selbst nicht mehr an einen Erfolg glaube, es ging darum, was Steinbrück über Steinbrück denkt und nicht, welche Konzepte er für die Lösung von Problemen hat. So trägt Journalismus dazu bei, dass Politik um sich selbst kreist und an Relevanz und Strahlkraft verliert. Journalistischer Ehrgeiz kann so inhaltsleer sein wie die Phrasen derer, die darauf reagieren.

Sachzwänge über den Haufen werfen

Es gibt einen weiteren Punkt, der einem das Interesse an Politik vermiesen kann. Es ist das Gerede von der Alternativlosigkeit bestimmter Entscheidungen. Dies ist die Entpolitisierung von Politik. Die Opposition hat häufig in wichtigen Fragen mit der Regierung gestimmt und ist damit de facto auf die Alternativlosigkeitsnummer aufgesprungen, wenngleich sie sich verbal davon distanziert hat. Wenn Sachpolitik den Wettstreit der Ideen ersetzt, obsiegen die Technokraten über die politischen Visionäre, die Attraktion lässt nach.

Wie es anders geht, zeigt der neue Papst. Er muss sich zwar nicht in den Mühlen der Demokratie aufreiben, dafür könnte er sich jedoch in den Machtkämpfen der Seilschaften in der Kurie verstricken. Doch der Mann rüttelt mit seiner unkonventionellen Art den Vatikan auf, er straft die Alternativlosigkeit Lügen. Er zirkelt nicht um sich selbst, sondern verlässt die Käseglocke. Er fügt sich nicht dem Zeremoniellen, den überkommenen Strukturen und Erwartungen, kurz den Sachzwängen, sondern wirft sie über den Haufen und rückt stattdessen die einfachen, essentiellen Wahrheiten und Werte seiner Religion, etwa sich den Schwachen zuzuwenden, in den Vordergrund, und wird darüber hinaus, soweit man sieht, den eigenen Ansprüchen gerecht. Die Zustimmung, die er dafür erfährt, ist über die eigene Klientel hinaus groß.

Dem Spitzenpersonal der Parteien gelingt es dagegen nicht, die Aufgabe, den Bürger etwa vor den Folgen des Spekulantentums oder vor dem Übergriff auf seine Privatsphäre zu schützen, so zu erfüllen, dass er das Gefühl haben könnte, es gäbe eine klare Vorstellung davon, welche Regeln künftig zu gelten haben. Entweder ist der politische Kompass abhandengekommen, oder es mangelt am Willen und Mut, das als richtig Erkannte umzusetzen.

Es würde nicht schaden, besännen sich Politiker wieder auf die geistigen Fundamente ihrer Tradition, um daraus ihre Grundsätze klarer zu formulieren, statt vornehmlich auf Umfragen und Pfründe zu schauen, sich in Pragmatismus zu erschöpfen oder in Details zu verlieren. Vielleicht wären sie dann zu starken Entwürfen fähig wie es die Ostpolitik einst war (SPD), die Einheit Deutschlands (CDU), die Anti-Atomkraft- und Abrüstungsbewegung (Grüne). Entwürfe, die eine Gesellschaft beleben und den Stimmberechtigten leichter zur Wahl animieren könnten.

Wahlboykott Nicht wählen geht gar nicht!

Manche Intellektuelle finden es derzeit schick, zum Wahlboykott aufzurufen. Dagegen wehren sich die Chefs der deutschen Jugendorganisationen in einem gemeinsamen Aufruf.

http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-07/nichtwaehler-replik-georg-diez

Wahlkampf und deutsche Auslandspolitik /Alternativen

FAZ http://www.faz.net/aktuell/politik/beppe-grillo-steinbrueck-ist-ein-flegel-12100302.html

Beppe Grillo „Steinbrück ist ein Flegel“

02.03.2013 ·  Der italienische Komiker Beppe Grillo unterstellt dem SPD-Kanzlerkandidaten wegen dessen „Clown“-Äußerungen schlechte Manieren. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft nennt dagegen die Bezeichnung Clown „in Bezug auf Herrn Berlusconi harmlos.“

Grillo prognostiziert Zusammenbruch des politischen Systems in Italien

Beppe Grillo: „Ich bin ein Komiker, aber kein Clown.“

Der Überraschungssieger der italienischen Parlamentswahlen, Beppe Grillo, wirft dem SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück schlechte Manieren vor. In einem Interview mit der Zeitung „Bild am Sonntag“ sagte Grillo: „Steinbrück hat sich benommen wie ein Flegel.“ Damit reagierte Grillo auf eine Äußerung Steinbrücks, der den Gründer der Protestbewegung „5 Sterne“ und den ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi als „Clowns“ bezeichnet hatte. Dazu sagte Grillo: „Ich bin ein Komiker, aber kein Clown.“

Grillo, dessen „Bewegung 5 Sterne“ bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus 25,5 Prozent der Stimmen errungen hatte,  warf dem SPD-Kanzlerkandidaten vor, er habe mit seiner Äußerung „alle Italiener beleidigt“. Trotzdem erwartet er von Steinbrück keine Entschuldigung: „Die interessiert mich gar nicht.“ Zudem lobte Grillo Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano, der Steinbrück wegen dessen „Clown“-Äußerungen von einem Abendessen ausgeladen hatte: „Ich fühle mich da sehr gut in Schutz genommen von meinem Staatspräsidenten. Das hat er schon ganz richtig gemacht, dass er Steinbrück nicht empfangen hat.“

Kraft: Bezeichnung „in Bezug auf Herrn Berlusconi harmlos“

Unterstützung erhält Steinbrück dagegen von der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (F.A.S.) nennt sie die Bezeichnung Clown „in Bezug auf Herrn Berlusconi harmlos.“ Sie habe nicht vergessen, dass Berlusconi den heutigen Präsidenten des EU-Parlaments, Martin Schulz (SPD), „mit einem Nazi und Chef eines Konzentrationslagers“ verglichen habe. Angesprochen auf die Fehler, die Steinbrück nach seiner Wahl zum Kanzlerkandidaten gemacht habe, sagte Kraft: „Er ist ja früher ins Amt gekommen als geplant. Von daher war die Vorbereitung nicht optimal.“ Sie habe jedoch den Eindruck, dass es in den letzten Tagen und Wochen „wirklich rund“ laufe. Manches sei auch „medial hochgepuscht“ worden.

Grillo: Politisches System wird zusammenbrechen

Indes rechnet Grillo damit, dass das politische System seines Landes noch in diesem Jahr zusammenbrechen wird. „Ich gebe den alten Parteien noch sechs Monate – und dann ist hier Schluss“, sagte er dem Nachrichtenmagazin „Focus“. „Dann können sie die Renten nicht mehr zahlen und auch die öffentlichen Gehälter nicht mehr“. Der Komiker forderte, Italiens Staatsschulden neu auszuhandeln: „Wir werden erdrückt – nicht von dem Euro, sondern von unseren Schulden. Wenn die Zinsen 100 Milliarden Euro pro Jahr betragen, sind wir tot. Es gibt da keine Alternativen.“

Grillo verglich den Staat mit einer Aktiengesellschaft: „Wenn ich Aktien einer Gesellschaft gekauft habe, die bankrott geht, dann habe ich eben Pech. Ich habe riskiert – und verloren.“ Wenn sich die Bedingungen nicht änderten, solle Italien den Euro verlassen und zur Lira zurückkehren. Weder mit dem Pier Luigi Bersanis Demokratischer Partei (PD) noch mit der Partei „Volk der Freiheit“ (PdL) des ehemaligen Ministerpräsidenten Berlusconi wolle er eine Koalition eingehen. „Wenn die PD Bersanis und Berlusconis PdL vorschlagen würden: sofortige Änderung des Wahlgesetzes, Streichung der Wahlkampfkostenerstattung, maximal zwei Legislaturperioden für jeden Abgeordneten – so eine Regierung würden wir selbstverständlich sofort unterstützen“, sagte er. „Aber sie werden das nie tun.“

Weitere Artikel

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„Alternative für Deutschland“ Die neue Anti-Euro-Partei

02.03.2013 ·  Kritiker der Eurorettungspolitik bereiten nach Informationen der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ die Gründung einer Partei mit dem Namen „Alternative für Deutschland“ vor. Sie soll schon zur Bundestagswahl in diesem September antreten.

Von Winand von Petersdorff

Unterstützer (v.l.n.r.): Bernd Lucke, Hans-Olaf Henkel, Stefan Homburg und Joachim Starbatty

Unterstützer (v.l.n.r.): Bernd Lucke, Hans-Olaf Henkel, Stefan Homburg und Joachim Starbatty

In Deutschland bereiten Kritiker der Eurorettungs-Politik die Gründung einer Partei mit dem Namen „Alternative für Deutschland“ vor. Sie soll schon zur Bundestagswahl in diesem September antreten, spätestens aber zur Europawahl im Juni 2014. Gründer sind der Ökonom Bernd Lucke, der Publizist und ehemalige FAZ-Redakteur Konrad Adam und Alexander Gauland, der unter dem früheren hessischen Ministerpräsidenten Walter Wallmann (CDU) Chef der hessischen Staatskanzlei war.

Das Personal der Initiatoren und der Unterstützer spricht dafür, dass sie Chancen im bürgerlichen Milieu haben. Zu den Unterstützern gehören überproportional viele liberale und konservative Professoren, die Lehrstühle für Volkswirtschaft innehaben oder hatten. Darunter sind bekanntere Namen wie Stefan Homburg und Charles Blankart. Sie lehren in Hannover und Berlin öffentliche Finanzen. Dazu gesellen sich Joachim Starbatty, Wilhelm Hankel, Karl Albrecht Schachtschneider und Dieter Spethmann, die schon gemeinsam gegen die Griechenland-Hilfe vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt hatten. Der bekannteste Name auf der Unterstützlerliste ist der des ehemaligen Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Hans-Olaf Henkel, der schon mit mehreren Parteigründungen in Zusammenhang gebracht wurde.

Hauptinitiator Bernd Lucke, Professor für Makroökonomie in Hamburg, war 33 Jahre Mitglied der CDU, bevor er im Dezember 2011 wegen der Eurorettungspolitik austrat. Der Volkswirt hatte schon mit der Gründung eines „Plenums der Ökonomen“ versucht, auf die Politik Einfluss zu nehmen. 328 VWL-Professoren wurden Mitglieder des Internet-Plenums, das sich im Februar 2011 mit sehr großer Mehrheit gegen eine Verlängerung des EU-Rettungsschirms aussprach. „Die Empfehlung hinterließ aber keine Spuren“, sagte Lucke. Die Regierung habe sich als beratungsresistent erwiesen.

Die neue Partei wendet sich gegen die Euroretter, bekennt sich aber uneingeschränkt zur friedlichen Einigung Europas. Zudem will man mit aller Macht Extremisten fernhalten und bejaht die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik. Den Publizisten Konrad Adam treibt nach eigenen Worten die Sorge um die Demokratie in Deutschland. Die europäische Einigungspolitik, wie sie von allen im Bundestag vertretenen Parteien betrieben oder gebilligt werde, dürfte die erste Grundsatzfrage sein, bei der eine im Volk weit verbreitete Stimmung im Parlament keine Resonanz mehr findet.

Gründungsversammlung im April

„Anders als im Streit um die Notstandsgesetze, die Ostverträge, zuletzt auch noch die Wiedervereinigung treffen Einwände und Befürchtungen auf eine Allparteienkoalition, die über Tempo und Umfang der Hilfsmaßnahmen diskutiert, sich in der Richtung aber einig weiß“, klagt Adam. Mit seinen Mitstreitern beklagt der Publizist die Rechtsbrüche: „Nachdem die Maastricht-Kriterien jahrelang missachtet worden waren, wurden sie buchstäblich über Nacht außer Kraft gesetzt.“

Unterstützer Stefan Homburg hat unterdessen geschworen, nie wieder eine Partei zu wählen, die für den Rettungsschirm ESM votiert hat. Bisher hatten – abgesehen von der Linken – alle Bundestagsparteien Stimmen von ihm bekommen. Er hält nicht nur die Eurorettungspolitik für falsch. Das aber hätte ihn nicht bewogen, eine neue Partei zu unterstützen. Ihn empören die „Rechtsbrüche“: Die Verletzung der Maastricht-Kriterien und der No Bailout-Klausel. Er sei mit der Idee groß geworden, „dass Rechtsstaatlichkeit über Gerechtigkeit und auf jeden Fall über Opportunität steht“, sagte Homburg dieser Zeitung.

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Einen ersten Testlauf hat die „Alternative für Deutschland“ schon gewagt. Bei der Niedersachsenwahl unterstützte sie die Freien Wähler. Das habe sich aber nicht bewährt, sagte Lucke. Nun will man Partei werden mit einer Gründungsversammlung im April.

Eine Auftaktveranstaltung ist auch schon geplant: Am 11. März um 19 Uhr 30 in der Stadthalle Oberursel mit dem Titel: „Damit Europa nicht am Euro scheitert“. 250 bis 400 Leute passen in den Saal, je nachdem wie man die Stühle stellt.

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EU-Gipfel zur Schuldenkrise Merkels Welt – Hollandes Welt

Zwei Weltanschauungen stehen sich derzeit gegenüber, wenn es darum geht, eine gemeinsame Strategie in Europas Schuldenkrise zu finden. In zwei animierten Schaubildern zeigt FAZ.NET, was hinter den Lösungsansätzen steckt.

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/europas-schuldenkrise/eu-gipfel-zur-schuldenkrise-merkels-welt-hollandes-welt-11760892.html