Einschüchterung als Arbeitsmethode

Frühkritik: Leiharbeiter bei Amazon Made in China

14.02.2013 ·  Die ARD hat eine berührende Reportage über die Leiharbeiter beim Internetriesen Amazon gezeigt. Das Geschäftsmodell beruht auf Einschüchterung und Misstrauen.

Von Frank Lübberding

Amazon, hier das Logistikzentrum in Los Angeles, dominiert den Internethandel
Amazon, hier das Logistikzentrum in Los Angeles, dominiert den Internethandel
as passiert, wenn in einem System alle Nachteile haben und nur einer profitiert? Sollte man es dabei belassen oder es ändern? Sollte es vor allem derjenige ändern, der die Regeln bestimmt und trotzdem zu den Verlierern gehört? Diese Fragen scheinen einfach zu beantworten. Warum ist es dann aber möglich, dass wir am Beispiel Amazon einen Konzern haben, der als Einziger einen Nutzen aus den geltenden Regeln zieht und trotzdem niemand etwas ändert? Warum das so ist, konnte am Mittwochabend in der ARD auch nicht geklärt werden. Das lag aber nicht an der Weigerung des Unternehmens, Fragen zu beantworten – diese müssten in diesem Fall gar nicht erst gestellt werden. Dafür wurde in der Reportage „Ausgeliefert! Leiharbeiter bei Amazon“ deutlich, wie es hinter den Fassaden dieses Internet-Riesen aussieht. Mit einem Umsatz von 6,5 Milliarden Euro kontrolliert er mindestens 20 Prozent des deutschen Online-Handels und in gleicher Größenordnung den Buchmarkt.Volkswirtschaftlich gesehen ist es völlig gleichgültig, wo jemand seine Bücher oder Schuhe bestellt. Am Ende muss sich immer ein Käufer finden, der diese Produkte bestellt. Aus den Erlösen werden die Löhne, die Sozialversicherungsabgaben und die Steuern bezahlt. Der Rest ist der Gewinn des Unternehmens. In der „Sozialen Marktwirtschaft“ sollen am Ende alle ihren Nutzen haben. In ihr muss niemand mit dem Mittel der Einschüchterung arbeiten. Nur: Warum braucht Amazon dann eine Sicherheitsfirma namens H.E.S.S? Mitarbeiter dieser Firma, so wurde in dem Beitrag deutlich, bewegen sich im rechtsextremen Milieu und bedrohten die recherchierenden ARD-Journalisten. Vielleicht, weil nur so das Amazon-Geschäftsmodell sicherzustellen ist? Mit der „sozialen Marktwirtschaft“ hat das jedenfalls nichts mehr zu tun.

Einschüchterung als Geschäftsmodell

Die beiden Filmautoren, Diana Löbl und Peter Onneken, schilderten akribisch, wie Einschüchterung bei Amazon als Geschäftsmodell funktioniert. Das Unternehmen betreibt in Deutschland sieben Distributionszentren, in denen vor allem Leiharbeitnehmer beschäftigt werden. Die Einschüchterungskette beginnt schon bei deren Anwerbung im europäischen Ausland. Statt eines versprochenen Beschäftigungsverhältnisse bei Amazon kommt kurz vor Vertragsbeginn eine Leiharbeitsfirma namens „Trenkwalder Personaldienste GmbH“ ins Spiel. „Bei Trenkwalder steht der Mensch im Mittelpunkt – das ist der Kern einer vertrauensvollen und partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit Mitarbeitern und Kunden“, so formuliert es das Unternehmen auf seiner Firmenhomepage. Was das heißt? Sie bieten der spanischen Kunstlehrerin Silvina einen Arbeitsvertrag an – mit reduzierten Konditionen. Untergebracht werden die Mitarbeiter etwa für das Amazon-Logistikzentrum in Bad Hersfeld in einem insolventen Freizeitpark. Dafür verantwortlich ist die CoCo Job Touristik GmbH & Co. KG. Immerhin kann sich einer darüber freuen: Laut einem Bericht der Hersfelder Zeitung vom 15.12.2012 freute sich der Insolvenzverwalter des Freizeitparks über die „tolle Geschichte“ und die „dringend benötigte Liquidität“.

Was die „tolle Geschichte“ für die Leiharbeiter bedeutet, erzählen die Autoren in atmosphärisch dichten Bildern. Sie hatten das, was guter Journalismus braucht: Zeit. Sie mieteten sich ebenfalls in dem Freizeitpark ein und es gelang ihnen, die Wirklichkeit europäischer „Wanderarbeiter“ zu skizzieren. Ein Begriff, der ansonsten für chinesische Verhältnisse benutzt wird. In der Struktur unterscheiden diese sich aber nicht vom Amazon-Geschäftsmodell. Was in China die armen Landprovinzen sind, ist in der EU Süd- und Osteuropa. Von der Unterbringung über den Bustransfer bis zur Überwachung durch die Sicherheitsfirma werden tausende Mitarbeiter zu bloßen Objekten degradiert. Sie werden nur für ein Ziel gebraucht: Den Geschäftserfolg von Amazon sicherzustellen.

„Eine Kleinigkeit in dieser Maschine“

Diese Wanderarbeiter sind keine klassischen Arbeitnehmer, wie es in den Lehrbüchern der sozialen Marktwirtschaft formuliert wird, mit Rechten und Pflichten. Sie werden zu einer „Kleinigkeit in dieser Maschine“, so drückte es die Kunstlehrerin aus Spanien aus. H.E.S.S sei allgegenwärtig – und die Einschüchterung funktioniert in der Weise, wie es einer ihrer Mitarbeiter formulierte: „Das ist unser Haus. Das sind unsere Regeln. Ihr müsst das machen, was wir sagen.“ Das geht, gut dokumentiert, bis zur Verletzung der Privatsphäre. Wer sich wehrt, muss mit Entlassung rechnen. Ein Verdi-Funktionär schilderte die Folgen dieser Einschüchterungskultur und des institutionalisierten Misstrauens: „Sie“, die Wanderarbeiter, „sagen gar nichts, fressen den Frust in sich hinein.“ Sie brauchen das Geld und hoffen auf eine Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Diese Hoffnung ist trügerisch und endete bei Silvina mit der Entlassung kurz vor Weihnachten.

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„Ich bin nicht für diese Sklavenarbeit“, so formulierte es einer der Fahrer, die jeden Tag den Bustransfer erledigen. Nur ist er selber eine bloße Kleinigkeit in dieser Amazon-Maschine. Der Konzern ist der größte Profiteur, seine Handlanger heißen Trenkwalder,  CoCo Job Touristik GmbH & Co. KG und H.E.S.S. Amazon ist bekannt für seine kreative Buchhaltung und weist für sein Deutschland-Geschäft Verluste aus. Das schadet nicht nur dem deutschen Staat, sondern allen Wettbewerbern, die sich gegenüber ihren Mitarbeitern fair verhalten.

Diese Maschine hat die Politik gebaut

Volkswirtschaftlich bringt das keinen Nutzen: Man kann seine Bücher beim örtlichen Buchhändler kaufen. Nur hat nicht Amazon diese Maschine gebaut, sondern die deutsche Politik. Sie erst hat den chinesischen Wanderarbeiter in Deutschland möglich gemacht. Warum das so ist, konnte am Mittwochabend in der ARD nicht geklärt werden. Die Frage ist aber auch überflüssig geworden. Die Politik kann es nämlich wieder ändern – und schon heute damit anfangen.

„Ausgeliefert! Leiharbeiter bei Amazon“ lief am Mittwoch um 22:45 Uhr und ist in der Mediathek der ARD zu sehen.

Krise des Buchhandels

Der Amazon-Studenten-Dienst erwartet euch

F.A.Z. 13.02.2013 ·  Die Heidelberger Universitätsbibliothek lotst Besucher neuerdings in ihrem Online-Katalog per Mausklick auf die Website von Amazon. Dieser Irrsinn könnte Schule machen.

Von Roland Reuß

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/krise-des-buchhandels-der-amazon-studenten-dienst-erwartet-euch-12060489.html

Mag der Ort noch so klein sein, wo eine Buchhandlung ist, existiert auch eine Bildungsanstalt im Kleinen. Ob das so bleibt, darüber entscheiden wir alle.

Mag der Ort noch so klein sein, wo eine Buchhandlung ist, existiert auch eine Bildungsanstalt im Kleinen. Ob das so bleibt, darüber entscheiden wir alle.

ie aktuelle Misere im lokalen Buchhandel ist mit Händen zu greifen. In den Regalen Bücher, die, um 90 Grad gedreht, ihre Umschläge und nicht mehr ihre Rücken zeigen (um Fülle des Angebots zu suggerieren); manchenorts aber auch gleich leere Regale; Handel mit sogenannten non-books (eine Prämie für dieses non-word); reduzierte Öffnungszeiten; sich breitmachende integrierte coffee shops (micro-payment at its best); verunsicherte, ja verzweifelte Verkäufer; die beworbene killing-machine, genannt e-book-reader, perverserweise im Schaufenster. Die Liste negativer Signale ist lang, die Anmutung katastrophal.

Wenn man sich fragt, was zu dieser Situation geführt hat, wird man auf ein Bündel von Ursachen kommen, von denen jede einzelne vielleicht mit konventionellen Mitteln hätte bekämpft werden können. In ihrer Summe aber stellen sie für den Einzelhandel mit Büchern eine tödliche Gefahr dar. Da ist – am wenigsten einfach zu kontern – das auffallende Desinteresse potentieller Leserkreise an komplexen, über das Buch vermittelten Gedanken. In einer Universitätsstadt wie Heidelberg gab es noch vor zehn Jahren am Universitätsplatz zwei unter privater Leitung laufende Qualitätsbuchhandlungen. Ihre Philosophieabteilungen waren sehr gut sortiert, die größere hielt sogar bis in die achtziger Jahre die nach wie vor lieferbare teure dreibändige Ausgabe der Vorsokratiker-Edition von Diels und Kranz laufend vorrätig (und das, obwohl es Studenten seltsamerweise immer wieder gelang, diese voluminöse Ausgabe zu klauen).

Heute existiert – an einem Platz, den während der Vorlesungszeit sicher zehntausend und mehr Studenten pro Tag überqueren – nur noch eine der beiden Buchhandlungen, als Filiale einer Kette. Ihre Philosophieabteilung ist auf ein Viertel des ehemaligen Angebots geschrumpft. Die blauen Umschläge der Diels-Kranz-Ausgabe kann niemand mehr anfassen, begreifen.

Per Klick vom Online-Katalog zu Amazon

Der Umstand allein, dass es in Gestalt der amerikanischen Internetfirma mit steuerbegünstigtem Sitz in Luxemburg einen mächtigen Distributor gibt, ist es noch nicht, der den Buchhandlungen das Leben schwermacht. Eher schon, dass mit dem Aufkauf der wichtigen Antiquariatsportale (ZVAB und ABEBOOKS) und der Einbindung antiquarischer „webshops“ Amazon seinem strategischen Ziel, die Buchpreisbindung zu kippen, immer näher kommt und damit eklatante Wettbewerbsverzerrungen durchschlagen. Bücher, die auf wunderbare Weise, angeboten von Dritten, am Tag ihres Erscheinens schon antiquarisch (und gleichwohl eingeschweißt) neben dem regulären Angebot auf der Website des Konzerns aufscheinen, sind keine Seltenheit – und man bekommt, in einer Gesellschaft bekennender Schnäppchenjäger, eine erste Vorstellung davon, wie es nach dem Fall der Preisbindung aussehen würde. Den Buchhandlungen drohte dann das Schicksal der Platten- und CD-Läden, die – völlig unabhängig von der Qualität ihrer Expertise – gegen die auf der Internetseite von Amazon halbierten Preise bei Reimporten machtlos waren (von den mp3-Download-Portalen ganz abgesehen). Zwar sind Bücher nicht CDs, aber die Priorität des Preises für die Kaufentscheidung ist dieselbe, fest verankert in der Großhirnrinde.

Nicht ohne Ironie ist, dass die älteste deutsche Universitätsbibliothek, die Heidelberger, ihren Online-Katalog mit Amazon-Bildchen von Buchumschlägen schmückt, die die Studenten, ohne dass sie eigens darauf hingewiesen würden, bei Klick direkt auf die Seite des Luxemburger Steuerumgehungskonzerns lenken, wo sie neuerdings vom „Amazon Student“-Dienst „abgeholt“ werden. Der verspricht „kostenlose Lieferung am nächsten Tag, kein Mindestbestellwert“, und – damit die „main-target“-Gruppe künftiger „Entscheider“ gleich in das Spiel mit der Buchpreisbindung eingebunden wird – „20% erhöhten Ankaufwert für gebrauchte Bücher und Games bei Amazon Trade-In“. Die „Kataloganreicherung“ der altehrwürdigen Bildungseinrichtung passt wie der Schlüssel ins Schloss der amerikanischen Geschäftspolitik.

Alle machen das so

Ein Heidelberger Denkbild: Die Bibliothek stößt buchstäblich und denkwürdig an den einzig noch verbliebenen Buchladen am Universitätsplatz. Eine staatliche Einrichtung, finanziert durch Steuereinnahmen, die unmittelbar das Gewerbe- und Umsatzsteueraufkommen (und eben auch die Lebensqualität) vor Ort und mittelbar die Steuereinnahmen der Republik drückt. Das dürfte, schaut man sich den aktuellen Kurs aller großen Bibliotheken an, allerdings kein auf die vielbeschworene Metropolregion Rhein-Neckar begrenzter Irrsinn sein. Alle machen das so – und nachdem die Epidemie flächendeckend ist, richtet Amazon seinen „Student-Dienst“ ein. Beim peinlichen Bedürfnis der IT-Bibliotheken, sexy erscheinen zu wollen, ist ganz offensichtlich die Sensibilität für größere wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge auf der Strecke geblieben.

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Angesichts solcher Probleme im Bucheinzelhandel ist dem Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins zur letzten Buchmesse nichts Besseres eingefallen, als den Buchhändlern zu empfehlen, sich mit dem Thema E-Book „zu beschäftigen“ (als ob sie sich das aussuchen könnten). Putzige Umbenennungen folgten auf dem Fuße („libri.de heißt nun E-Book.de“) – und Ratlosigkeit, denn so recht wird man niemandem begreiflich machen können, warum man für Hilfestellungen beim Herunterladen einer Datei noch einen konkreten, materiellen Raum (mit darin vorkommenden Menschen, konkreten Kosten, Mieten und Löhnen) braucht. „Erklär mir Computer“ war der Refrain, der alle Äußerungen des Börsenvereinsgeschäftsführers begleitete. Gemessen an den erwartbaren Umsätzen und den realen Problemen vor Ort, beschäftigen sich die Online-Seiten des „Börsenblatts“ in den vergangenen fünf Jahren auffallend oft und überproportional mit Digitalia. Dieser Befund und die betäubenden, jede Buchmesse begleitenden Fanfaren für das angeblich immer wieder und aufs Neue seinen Durchbruch feiernde E-Book lassen den Eindruck aufkommen, hier werde auf dem Rücken eines erklecklichen Teils der Verbandsmitglieder eine Politik verfolgt, die helfen soll, die Investitionen derjenigen populär zu machen und zu amortisieren, die es sich leisten konnten und wollten, in diesem Bereich aktiv zu werden.

Nun ist gegen Experimente nichts zu sagen, aber sie sollten gut austariert sein und nicht in die Empfehlung einmünden, nach den zu IT-Fanatikern mutierten Bibliothekaren müssten nun auch die Buchhändler ihre Zeit vornehmlich dem Studium von „Chip“ und „c’t“ und nicht mehr der Lektüre der einschlägigen Feuilletons und dem Lesen der Primärtexte widmen. Prüfet alles kritisch, das Gute (to kalon, das Schöne, steht hier im griechischen Text) haltet fest, war die Paulinische Losung im ersten Thessalonicherbrief. Sie zuallererst verdient festgehalten zu werden.

Masse statt Klasse

Eine Buchhandlung, die es nicht mehr schafft, materielle Güter, genannt Bücher, in kritischer Masse in den Laden zu schaffen, ist moribund. Sie kann keine Stammkundschaft aufbauen. Wenn sie Glück hat und die Buchpreisbindung nicht weiter unterspült wird, wird sie gerade noch imstande sein, das Sortiment einer Bahnhofsbuchhandlung anzubieten. Und das heißt Masse statt Klasse. Wenn ich weiß, dass ich das Buch, das ich suche (oder vielleicht auch nicht suche, sondern einfach finde), in der Buchhandlung nicht antreffe, gehe ich dort nicht mehr hin. Der potentielle Kunde wird geradezu in die Hände der internationalen Internetvertriebe getrieben. Wirkliche Buchläden benötigen daher wirkliche Gegenstände, um im Wettbewerb bestehen zu können (das ist ihr Alleinstellungsmerkmal gegenüber all den schönen Bildchen auf einer Website).

Ganz unabhängig vom Problem der Softwarepiraterie arbeitet das Propagieren des E-Books nur den Quasimonopolen von Amazon und Apple zu. Auch die, die in diesem vermeintlich so zukunftsschwangeren Sektor investiert haben, werden diese Lektion noch lernen. Ebenso die Verlage, die mit Amazon so gut verdienen (man hört fast nur Lob in der Branche). Sie werden die Kehrseite dieser lukrativen Geschäfte dann kennenlernen, wenn kein nennenswerter lokaler Buchhandel mehr existiert. Denn dann kann, wie in Amerika schön zu sehen, der Monopoldistributor direkt in das Verlagsprogramm hineinregieren. Eine Horrorvision.

Bildungsanstalten im Kleinen

Wer heute eine Buchhandlung betreiben will, muss aus Überzeugung wissen, dass das Wort gerade nicht virtuell, sondern im Gegenteil Fleisch werden will. Er muss antizyklisch investieren und vielleicht auch weniger auf Betriebsberater hören (die Buchbranche funktioniert nicht nach deren Standardmodellen). Und er darf sich auch nicht verrückt machen lassen. „Kindle – der Bestseller“, das ist zuerst einmal ein Slogan leicht durchschaubarer Propaganda. Amazons eigene Website taugt hierfür nicht als the evidence.

Wer umgekehrt Buchhandlungen als Teil seiner privaten Ökosphäre und seiner persönlichen Lebensqualität schützen will, muss wachsam sein. Mag der Ort auch noch so klein sein, in der Lüneburger Heide, der Uckermark, der Südpfalz, der Niederlausitz, dem Allgäu – wo eine Buchhandlung ist, existiert auch, belesenes und motiviertes Personal vorausgesetzt, eine Bildungsanstalt im Kleinen. Über deren Zukunft entscheidet heute jeder mit: der Kunde vor Ort; der Bibliotheksdirektor, der es sich vielleicht doch versagt, seine Katalogdaten um jeden Preis aufzupeppen; die Verlage; nicht zuletzt der Börsenverein. Eine Infrastruktur auf Grund falscher Analysen zu zerstören ist ganz leicht. Sie in Zeiten der Krise zu erhalten schon komplizierter. Am schwierigsten aber, sie – nachdem man begriffen hat, was sie einst tatsächlich bedeutete und welche Rolle das alles plättende, buchstäblich überall Plattformen erzeugende IT-Kapital bei ihrer Destruktion spielte – wiederaufzubauen. Dies Dritte bleibe uns erspart.

Roland Reuß lehrt Germanistik und Editionswissenschaft an der Universität Heidelberg.